Desaströse Regierungsbilanz
Erstmals gab es eine schwarz-grüne Koalition und dies eine volle Legislaturperiode hindurch. Wie sieht die Bilanz der Regierungsarbeit aus Sicht von Lohnabhängigen und der Gewerkschaftsbewegung aus?
Gleich zu Beginn war die Regierung durch Corona gefordert. Die Kurzarbeit war ein probates Mittel, um Beschäftigte im Betrieb zu halten. Andererseits wurden Förderungen häufig unrechtmäßig gewährt, so musste etwa der ÖVP-Seniorenbund Rückzahlungen leisten. Mittlerweile ist erwiesen, dass die Förderstelle COFAG als Selbstbedienungsladen für Reiche diente und deutlich überfördert wurde.
Arbeitsminister Kocher trat mit einer „Reform“ des Arbeitslosengelds im negativen Sinne an, scheiterte aber mit einem degressiven Arbeitslosengeld. Schließlich kürzte die Regierung das AMS-Budget, was weniger Maßnahmen und Förderungen von Arbeitslosen und Unsicherheit für die Beschäftigten in AMS-Projekten bedeuten. Ebenso wenig verbessert wurde der Arbeitsmarktzugang für Asylwerber:innen, ihnen bleibt nur ausbeuterische Saisonarbeit oder Schein- selbstständigkeit bei Lieferdiensten und in der Paketbranche.
Bei der Teuerung im Stich gelassen
Das drängendste Problem ist weiterhin die hohe Teuerung, gegen welche die Regierung nicht ausreichend gegengesteuert hat. Auf entscheidende Lenkungsmittel wie Preisobergrenzen bei Lebensmitteln wurde verzichtet, die Preise für Energie nicht begrenzt – durch die Strompreisbremse noch gestützt. Immer noch hat Österreich eine der höchsten Inflationsraten in der EU. Einmalzahlungen wurden breit verteilt anstatt gezielt einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Positiv und längst überfällig war hingegen die Valorisierung von Sozialleistungen wie der Familienbeihilfe.
Ein starker Inflationstreiber waren hohe Mietsteigerungen. Die Mietenbremse bleibt wirkungslos, während der Wohn- und Energieschirm zumindest akute Notlagen entschärfen und Delogierungen verhindern kann. Ein echter Mietendeckel, Mobilisierung von Leerstand und eine Reform des Mietrechtsgesetzes lassen weiter auf sich warten.
Steigende Lebenshaltungskosten nicht mehr stemmen zu können erfasst inzwischen auch breitere soziale Schichten. Nun wird so getan, als wäre die Inflation wieder auf Normalniveau, während die Preise weiter steigen, nur nicht mehr so schnell. Die Maßnahmen der Regierung reichen nicht aus, die Löhne halten nicht Schritt mit den Lebenshaltungskosten. Die Armutsgefährdung nimmt zu, ebenso wenig wurden gegen Kinderarmut wirksame Maßnahmen ergriffen.
Immerhin wurde die kalte Progression abgeschafft. Schon zweimal wurde uns die kalte Progression ausgeglichen, ab 2025 werden die Steuerstufen um knapp vier Prozent erhöht (außer dem Spitzensteuersatz). Ein Drittel der Mehreinnahmen soll sozial gerecht als Zuschuss an Menschen mit niedrigen Einkommen und Alleinerziehenden verteilt werden. Die lange geforderte Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes auf 50 Cent/km ist für Berufsgruppen im Außendienst und für Beschäftigte der mobilen Hilfen eine wichtige Verbesserung.
Weiter gibt es eine starke Schieflage auf Besteuerung von Arbeit, das österreichische Steuersystem bevorzugt die Reichen – denn noch immer gibt es keine Vermögens- und Erbschaftssteuern. Ebenso wenig Bewegung ließ die Regierung bei der Arbeitszeitverkürzung zu – im Gegenteil: die Industrie hat eine 41-Stunden- Woche lanciert, Kanzler Nehammer schlägt in die gleiche Kerbe mit seinen Attacken auf Teilzeitbeschäftigte.
Wichtige Zukunftsaufgaben verabsäumt
Bedeutende Zukunftsaufgaben hat diese Regierung verabsäumt: Ausfinanzierung der Gemeinden, Kinderbetreuung. Die Verschlechterungen im Pensionssystem für Frauen wurden durchgezogen, ohne das Versprechen einer echten Gleichstellung einzulösen. Lücken in der Gesundheitsversorgung und Pflege werden größer. Für den Arbeitskräftemangel – besonders in Bildung, Gesundheit und Verkehr spürbar – fand sie keine Lösungsansätze.
Einem sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Industrie wurde ebenso wenig Aufmerksamkeit geschenkt wie anderen wirksamen Klimaschutzmaßnahmen. Bis heute hat die Regierung kein Klimaschutzgesetz vorgelegt, wie von Expert:innen und Klimaschutz-Organisationen eingemahnt wird. Während die Einführung des Klimatickets für Pendler:innen vorteilhaft ist, wird der nötige Ausbau des öffentlichen Netzes und Verbesserungen im Takt verabsäumt.
Statt sich für die Neutralität und aktive Friedenspolitik einzusetzen gibt es eine beispiellose Aufrüstung – Geld, das im Sozial- und Gesundheitsbereich fehlt. Der Leier über die Senkung der Lohnnebenkosten folgt nun die Ankündigung eines Kürzungspakets – egal welche Regierung nach der Wahl am Ruder ist, werden wir uns auf Angriffe auf Arbeitnehmer:innenrechte und Sozialstaat gefasst machen müssen.
Stefanie Breinlinger ist Sozialarbeiterin bei FAB Linz und GLB-Landesvorsitzende OÖ