Demonstrative Verhaberung
Leo Furtlehner über Medien und Politik
Die „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“ (Paul Sethe, Publizist, Spiegel, 5.5.1965). Heute lässt sich deren Zahl wohl schon an einer Hand abzählen.
Und die „vierte Macht im Staate“ hat ihre stets betonte Kontroll- und Aufklärungsfunktion längst verloren, sie agiert als Instrument zur Formung und Sicherstellung der neoliberalen Hegemonie – und wundert sich, wenn ihr die derart Hegemonisierten zunehmend weniger vertrauen.
Agiert wird als Wechselspiel: Während Medien (Schein-)Kritik an der Politik üben und Politiker*innen hoch- und niederschreiben gelten die Stars der Medienmaschine als sakrosankt, agieren ungewählt oder sogar gottgleich. Werden Medien schon längst nicht mehr durch Kauf oder Abos, sondern durch Inserate der Wirtschaft finanziert, so lassen sich diese ihre „Unabhängigkeit“ zudem mit zig Millionen Steuergeld in Form von Förderungen oder Regierungsinseraten vergolden.
Richtig peinlich wird bei diesem Wechselspiel der Kotau der Politik vor den medialen Gottheiten: Etwa Eva Dichand, der Herausgeberin des Gratis-Krawallblattes „heute“, anlässlich ihres 50. Geburtstages mit einer 96seitigen Sondernummer des Produkts, das ohne die Inseraten-Millionen der Bundesregierung und der Wiener Stadtregierung gar nicht existieren könnte: „Die mächtigsten Politiker des Landes stehen Schlange, um zu gratulieren. Das erzählt leider viel über Österreich“ (Presse, 28.2.2023).
Und so mussten Adabeis aus Politik, Wirtschaft und Kultur „brav wie Kindergartenkinder am Muttertag“ ihren Sermon zu Ehren von Frau Dichand absondern. Der Bundespräsident durfte als Einstieg eine ganze Magazinseite mit guten Wünschen füllen. Der Kanzler konnte Dichand für „eine starke Frau, eine große Innovatorin und erfolgreiche Medienmanagerin“ halten. ORF-Boss Weißmann meinte gar „Jeden Tag lese ich ,heute‘, genauso wie ich den ORF schaue, höre und klicke“. AK-Präsidentin Anderl propagierte Millionärsgattinen wie Dichand als „starke weibliche Role Models“.
Wie man sieht, gilt es Medien-Oligarchie bei Laune zu halten: „Bei Dichands macht man sich nicht unbeliebt; das ist und bleibt Punkt eins der österreichischen Realverfassung“ ätzte dazu ausgerechnet die großbürgerliche „Presse“.
Das gilt freilich nicht bloß für die Dichands (Kronenzeitung, heute), sondern gleichermaßen für alle relevanten Medienprodukte, die zu allen denkbaren Gelegenheiten mit Events die Verhaberung von Medien, Wirtschaft und Politik verdeutlichen. Wobei sie dabei gleichermaßen sowohl die Käuflichkeit der angeblich „unabhängigen“ Medien als auch die Willfährigkeit der Politik demonstrieren. Der Meinungsfreiheit wird damit ebenso wie der politischen Hygiene ein Bärendienst erwiesen.
Kurz nach dem Promi-Auftrieb geriet allerdings Eva Dichand ins Kreuzfeuer der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wegen „Inserate und dafür positive Berichterstattung und Mitsprache bei der damals geplanten Novelle zum Stiftungsrecht“ (Standard, 1.4.2023). Ermöglicht hat das der unsägliche Thomas Schmid mit seinen 300.000 Chats. Man darf gespannt sein.