Das Imperium EU
Ein Buchtipp von Anne Rieger
Werner Rügemer macht das Imperium Europäische Union für abhängig Beschäftigte lebendig, stellt Gründungsmänner und Profiteure vor, beschreibt Zustandekommen, Entwicklung, aktuellen Zustand sowie die Organisation des Arbeitsrechts und der Arbeitsverhältnisse, auch der Arbeitsmigrant*innen.
Entgegen der Anfangsversprechen sei die EU „weder sozial, noch friedlich, noch demokratisch“, prangert Rügemer das EU-System an. Er macht klar, in wessen Interesse sie aufgebaut wurde und handelt. Auch in den Entwicklungsetappen Marschall-Plan, NATO, Montanunion, EWG, Binnenmarkt, Euro und Osterweiterung seien die Versprechen nur populistische Manöver gewesen. In Wirklichkeit hätten die selbsternannten „‚Euro- päer‘ die Freiheit der westeuropäischen Kapitalisten organisiert“, zudem überlagert von US-Kapital.
Die Geschichte der EU und ihrer Vorläuferorganisationen, ihr ökonomisches, militärisches und geopolitisches Handeln verbunden mit der Unterdrückung demokratischer Widerstandsbewegungen wird mit Fakten, Daten und Namen belegt, ebenso wie ihre unbedingte Nähe zu den USA. Es folgt ein umfassender Überblick über die Arbeitsrechtssituation – Rügemer nennt das Arbeits-Unrecht – in den EU-, den assoziierten und Anwärterstaaten.
Die Rechtsinstrumente der EU werden übersichtlich dargestellt, und wie wenig sie im Interesse der Beschäftigten bewirken. Die EU hat schrittweise Zerstückelung, Befristung, Prekarisierung der Arbeit vorangetrieben. Es gibt keine Richtlinien zum Kollektiven Arbeitsrecht, nur individuelle defensive Rechte, deren Einhaltung die EU aber nicht kontrolliert. Sie, die den „Staatskapitalismus“ in China heftigst kritisiert, hat ein ausgefeiltes Beihilfeprogramm, bei dem die höchsten Subventionen an die größten Unternehmen gehen. Es ist das zweitgrößte Unternehmens-Subventionsprogramm im gegenwärtigen Kapitalismus nach dem der USA.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit den sich entwickelnden Gegenwehren – den Aufbrüchen. Rügemer beschreibt die Klassenlage der zersplittert abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Scheinselbständigen, die „erzwungene entpolitisierte Sozialpartnerschaft“ und die dadurch gelähmten Gewerkschaften. Es regten sich aber „Neuorganisationen für demokratische, menschenrechtliche, völkerrechtliche, rechtsstaatliche Werte und Rechte“.
Kritik und Widerstand, so Rügemer, „schlummern“ häufig in den Untiefen des Kapitalismus. Und so brächen Massenproteste „überraschend“ hervor, wie die Gelbwesten in Frankreich oder auch Black Lives Matter in den USA. Ein sehr spannender Teil, in dem auch Österreich ein Kapitel gewidmet ist. Die Fakten sind im umfangreichen Quellen-Anhang belegt. Hilfreich sind Abkürzungsverzeichnis und Glossar mit der Erläuterung von Begriffen.
Werner Rügemer, Imperium EU – ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr, Papyrossa Verlag Köln 2020, 320 Seiten, 19,90 Euro