Braucht es doch einen Streik?
Heike Fischer zur Lage im Kinderbildungs- und -betreuungsbereich
Vor einem Jahr habe ich über die dramatischen Zustände im Kinderbildungs- und -betreuungsbereich berichtet. Ebenso über die aufkeimenden Proteste in einzelnen Bundesländern und das Versagen des zuständigen Bundesministeriums.
Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen (KBBE) sind Ländersache, also müssen sich auch die Beschäftigten länderweise organisieren, um sich selbst zu helfen. Erster Stolperstein scheint hierbei zu sein, dass die Unterstützung durch unterschiedliche Gewerkschaften passiert: Für Städte- und Gemeindeeinrichtungen ist die Gewerkschaft younion zuständig, für private Träger wie Kinderfreunde, Caritas oder Diakonie die GPA.
Föderale Unterschiede
Im Bestreben um bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen in allen KBBE sollten doch alle an einem Strang ziehen. In einigen Bundesländern gelingt dies recht gut.
Ebenso gibt es Landesregierungen, die begriffen haben, worum es geht und die deshalb bereit sind an einer Verbesserung im Sinne der Kinder, der Eltern und auch des verantwortlichen Personals mitzuwirken und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Erste positive Resultate sind bereits aus der Steiermark und Kärnten zu vernehmen, wo für Maßnahmepakete bereits Geld in die Hand genommen wird.
Wie sinnvoll diese tatsächlich sind und ob sie bei den überlasteten Beschäftigten ankommen, ist eine Streitfrage, die von den Betroffenen diskutiert und bewertet werden sollte. Ich persönlich halte nicht jede Maßnahme für zielführend und langfristig wirksam.
Unklare Kompetenzen
Was tut sich in Oberösterreich? Schlimm ist, dass bis vor einem Jahr nicht klar war, wer für die KBBE zuständig ist – Landeshauptmann oder Stellvertreterin. Dafür mussten zwischen Jänner und April 2022 erst mehrere Straßenaktionen und eine Demonstration vor dem Landhaus stattfinden.
Wenig wertgeschätzte Kolleg*innen aus Kindergärten, Krabbelstuben und Horten machten unterstützt durch younion und GPA lautstark auf die katastrophale Situation in den oö. KBBE aufmerksam und forderten die Politik zum Handeln auf. Nachdem bis Mai endlich die Zuständigkeiten geklärt waren, konnten erste Gespräche stattfinden, denen Verhandlungen folgen sollten, welche Maßnahmen erforderlich sind, um Verbesserungen in den KBBE zu erreichen und die Beschäftigten zu entlasten.
Gefordert werden die Verkleinerung der Gruppengrößen, zusätzliches Personal und eine Ausbildungsoffensive, die gerechte Entlohnung der Kolleg*innen, die Abbildung aller Berufsgruppen im Gesetz sowie die Sicherstellung von erwachsenengerechtem Mobiliar. Zweifelsohne ein umfangreiches Paket, welches schrittweise verhandelt werden muss, aber bis zum Herbst hätte vieles davon stehen können.
Stattdessen präsentierte Haberlander im Sommer ein Grundsatzpaket, das aus Sicht der Belegschaftsvertreter*innen weder ausreichend noch treffsicher ist. Zugesichert wurden einzelne unterstützende Maßnahmen wie etwa mehr Vorbereitungszeit ab 2023/24 oder die Umschichtung von Verwaltungsaufgaben.
Die wirklich dringenden Forderungen nach mehr Personal und geringeren Gruppengrößen, die zu einer echten Entlastung und tatsächlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen führen würden, fehlen jedoch völlig. Ebenso zielt das präsentierte Paket vor allem auf Pädagog*innen im Kindergarten ab, andere Berufsgruppen aber auch Krabbelstuben, Horte oder die Nachmittagsbetreuung werden völlig vergessen.
Und wem nutzen 100.000 Euro für eine Werbekampagne, wenn trotzdem niemand mehr in den KBBE arbeiten möchte. Für die LH-Stellvertreterin war jedoch damit die Thematik abgehakt, ohne dass jemals verhandelt worden wäre.
Wachsender Unmut
Im September fanden Betriebsversammlungen statt, in denen das Maßnahmepaket diskutiert und mit überwiegender Mehrheit als ungenügend oder gar als „Frotzelei“ bewertet wurde. Die Beschäftigten in den KBBE sind mittlerweile schon so sauer wegen dieser Hinhaltetaktik, dass die Bereitschaft auch zu streiken groß ist. Die Gewerkschaften younion und GPA reagieren zu Recht mit Protest und fordern ein Zurück an den Verhandlungstisch.
Damit tut sich scheinbar die zuständige Landesregierungsvertreterin schwer, denn im Oktober passierte nix, bis auf die mediale Verkündung „Wir brauchen keinen Streik.“ (OÖN, 22.10.2022) Sieht so Verhandlungsbereitschaft aus? Der Unmut bei den Beschäftigten ist riesig und laut und hat bewirkt, dass nun doch wieder Gespräche aufgenommen werden.
Aber younion und GPA sind sich einig: Es geht nicht mehr um Zahlen, Daten, Fakten, denn diese liegen schon längst auf dem Tisch. Es geht um Verhandlungen. Und bringen diese keine akzeptablen Ergebnisse, dann braucht es wohl doch einen Streik.
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsrats- vorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße in Linz