Betroffene klein halten
Franz Fend über die Sozialhilfe in Oberösterreich
Die Sozialhilfe ist ein Instrument zur Unterwerfung und Disziplinierung der Armen. Dass sie zur Aufgabe hätte, „Armut und soziale Ausgrenzung (zu) vermeiden und zu bekämpfen“ – wie es in den Papieren der oberösterreichischen Landesregierung zu lesen ist – darüber lachen ohnehin seit Beginn an alle damit Befassten und Betroffenen.
Sie ist, das ist seit ihrer Einführung evident und auch gewollt, ein Werkzeug zur Disziplinierung der Armen. Die oö Landesregierung und der untergeordnete Beamtenapparat haben sich im Vergleich mit anderen Bundesländern besonders hervorgetan, Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind (oder wären) zu drangsalieren.
OÖ als Vorreiter
Als die „Sozialhilfe neu“ 2019 beschlossen wurde – was für die Bezieher*innen mit vielen Verschlechterungen im Vergleich zur Mindestsicherung verbunden war – setzte Oberösterreich als erstes Land dies in aller Härte und mit den geringsten Richtsätzen um. Seit Teile dieses Gesetzes vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) Ende 2020 liquidiert wurden, ist noch immer keine Reparatur beschlossen worden.
Wenn es – um noch so marginale – Verbesserung für die Armen geht, lässt sich das Land Zeit. Zeit, welche die Bezieher*innen nicht haben. Dem Vernehmen nach soll das Sozialhilfe-Ausführungsgesetz im Dezember korrigiert und im Jänner gültig werden – mehr als zwei Jahre nach dem Spruch des VfGH.
Die Schrauben anziehen
Dabei sind die vom VfGH geforderten Gesetzesänderungen gar nicht so gravierend. Die Stellungnahmen zum vorliegenden Entwurf weisen jedoch darauf hin, dass vom Land der feste Wille besteht, die Schrauben noch fester anzuziehen und marginale Verbesserungen so lange als möglich hintanzuhalten.
So urgierte das oberste Gericht, dass der Bezug von Sozialhilfe nicht mit Deutsch- und Englischkenntnissen auf einem bestimmten Niveau verknüpft werden dürfe. Für die in Oberösterreich regierende FPÖ nur scheinbar eine mittlere Katastrophe – bietet es doch wiederum die Chance, gegen alle Bezieher*innen zu hetzen. Überdies ist im Entwurf zum neuen Sozialhilfe-Ausführungsgesetz neuerlich ein Passus vorhanden, der eine Sanktionierung des Sozialhilfe-Bezugs aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen vorsieht. Expert*innen weisen darauf hin, dass der VfGH-Spruch eben dies untersage.
Der rassistische Furor hat zur Folge, dass von den Regierenden solche Kleinigkeiten wie oberstgerichtliche Urteile nicht einmal ignoriert werden. Es werden neuerliche Klagen notwendig sein. In der Zwischenzeit können Politik und Verwaltung in Kumpanei mit einem völkischen Mob ihre rassistischen Ressentiments ausleben.
Subsidiär Schutzberechtigte sind im Gegensatz zu Konventionsflüchtlingen hierzulande von Sozialhilfe-Leistungen ausgeschlossen. Das Sozialhilfe-Grundgesetz böte allerdings die Möglichkeit, diese Personengruppe einzubeziehen. Es verwundert nicht, dass dies in Oberösterreich nicht geschehen soll.
Ebenso erstaunlich, dass just jene Parteien, die sich als Beschützer*innen der Werte der Familie gebärden, gegen die Aufhebung der Diskriminierung von Mehrkindfamilien stimmen. So beanstandete der VfGH, dass der Höchstsatz für das erste Kind einer Familie 25 Prozent des Ausgleichszulagensatzes beträgt, für das zweite 15 Prozent und für jedes weitere fünf Prozent. Dies soll zwar behoben werden, aber mit 25 Prozent ist der Richtsatz der niedrigste bundesweit.
Für den Arbeitsmarkt verfügbar
Die elementarsten Kritikpunkte an der Sozialhilfe hat aber auch der VfGH nicht aufgegriffen. Nämlich die Junktimierung des Sozialhilfebezuges mit der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt. Abgesehen davon, dass die meisten Bezieher*innen der Sozialhilfe aufgrund von Erkrankungen und Behinderungen gar nicht arbeiten können, geht es bei der Verknüpfung von Sozialhilfe und Arbeitsmarkt um eine verschärfte Strategie der Repression nicht nur gegen die Bezieher*innen.
Die Zahl jener, die gänzlich aus dem Sozialsystem fliegen, weil sie den Erfordernissen des Arbeitsmarktes nicht gerecht und den Anforderungen des AMS nicht entsprechen steigt rasant. Hier zeigt sich, wieweit die Regierenden bereit sind zu gehen. Mit der Sozialhilfegesetzgebung von Schwarz-Blau-Grün wurden die minimalen Standards der Armutsbekämpfung, die bis dato ohnehin nur ein schlechtes Überleben garantierten, über den Haufen geworfen und tausende Existenzen devastiert.
Zur katastrophalen Gesetzeslage kommt die Gemeinheit und die Willkür der durchführenden Organe. Die Zahl der Bezieher*innen der Sozialhilfe ist stark rückläufig, die dafür aufgewendeten Mittel ebenfalls.
Der Grund dafür liegt nicht darin, dass der Bedarf geringer wurde. Im Gegenteil. Ziel der Regierenden ist, dass eine gewissen Anzahl von Betroffenen ausgesteuert werden soll. Als Drohgebärde gegen jene, die noch im System sind.
Franz Fend ist Sozialbetreuer und Betriebsrat im Sozialverein B37 in Linz