Belegschaft wehrt sich
Stefanie Breinlinger über die Erpressertaktik von VW bei MAN Steyr
Urabstimmung am 7. April 2021 bei MAN Steyr: Zwei Drittel der Belegschaft stimmten gegen das „Angebot“ des Investors Siegfried Wolf und seiner WSA Beteiligungs AG, das MAN-Werk in Steyr zu übernehmen.
Vor der Urabstimmung warnten Ökonomen, dass der Verlust von rund einer Milliarde Euro an Wirtschaftsleistung im Land sowie von 8.400 Jobs drohen – nicht zuletzt ein Appell an die abstimmende Belegschaft.
Was im Vorfeld medial kaum eine Rolle spielte: Dies alles ist ein Teil eines brutalen Sanierungskurses von VW. Der Eigentümer wollte im MAN- Unternehmen insgesamt 9.500 Arbeitsplätze vernichten, weil VW/Traton die Rendite steigern will. Auch dass VW das Werk bis 2023 komplett schließen wollte, obwohl es volle Auftragsbücher gibt, wurde nur am Rande erwähnt.
In den letzten Jahren nahm der Konzern noch zwei Millionen Euro Forschungsförderung und Kurzarbeit in Anspruch. in einem Wort: VW weist jegliche gesellschaftliche Verantwortung von sich will auf Kosten von Lohnabhängigen und Steuerzahler*innen möglichst hohe Profite für sich und seine Aktionäre zusammenraffen.
Die Ausgangslage beim voreilig gefeierten „Angebot“ vom zum „Retter“ stilisierten Siegfried Wolf war alles andere als hoffnungsvoll: Gehaltskürzungen um 15 Prozent und den Rauswurf von einem Drittel der Belegschaft. Zudem drohten alte Abfertigungsansprüche zu verfallen. Die Zukunft des Werkes und ihrer Arbeitsplätze erschien den Arbeiter*innen zu unsicher, der Standortsicherungsvertrag mit VW wäre dann ohnehin außer Kraft. Während die Arbeiter*innen inklusive Leasing-Personal mehrheitlich gegen die Übernahme durch Wolf stimmten, stimmten die Angestellten mehrheitlich dafür – ein Ausdruck unterschiedlicher Interessenlagen in der Belegschaft.
Jedenfalls ist das ein mutiger Schritt der Belegschaft, umso mehr als diese Abstimmung offensichtlich keine echte Wahl zwischen gleichwertigen Alternativen war, sondern hier VW ein Ultimatum stellte zwischen der Akzeptanz des Investoren zu seinem Gunsten oder eben der Schließung. Eines ist klar – die Belegschaft des MAN-Werks in Steyr wies den dreisten Erpressungsversuch zurück. Die Arbeiter*innen wehrten sich dagegen, als Spielball von Investoren missbraucht zu werden.
Zudem sorgte der Eigentümer VW/Traton bereits seit Jahren dafür, dass das Vertrauen zwischen Belegschaft, Betriebsrat und Eigentümern zerstört und das Klima vergiftet ist und legte sich auf die Übernahme durch Wolfs WSA als einzige Alternative fest. Wolf gilt als Vertrauter von Hans Michel Piëch, dem größten Einzelaktionär von VW. Wolf sitzt zudem im Aufsichtsrat von Porsche SE – die Holding ist größter Aktionär der VW AG. Die Arbeiter*innen stimmten damit also auch gegen VW und die rücksichtslose Konzern-Politik.
Die Kritik an der Entscheidung der MAN-Belegschaft fiel vehement aus: Ganz abgesehen von der offensichtlichen Verantwortung des Eigentümers VW/Traton, ist die Kritik – man wäre unkonstruktiv und würde auf zu hohen Löhnen bestehen, in einer Zeit des chronischen Lohnverzichts, niedriger KV-Abschlüsse und des Einkommensverlusts durch die schlechte Wirtschaftslage – ein absurdes Argument. Noch dazu, wenn vom Lohn der Facharbeiter*innen ganze Familien leben müssen.
Auch wenn viele neoliberale Kommentator*innen nun der Belegschaft die Schuld für die verfahrene Situation in die Schuhe schieben wollen: Der Eigentümer bestimmt maßgeblich, welche Optionen in Betracht gezogen werden. Ebenso steht fest, dass diese demokratische Abstimmung mit einer Beteiligung von 94 Prozent, dieses klare Votum der Belegschaft (vor allem der Arbeiter*innen) zu respektieren ist.
Nun bleibt offen, wie eine Lösung vorangetrieben werden kann – sei es durch Verhandlungen mit anderen Investoren, Klagen oder Streiks. Zu Redaktionsschluss war lediglich bekannt, dass Siegfried Wolf sein Angebot nicht nachbessern wolle und VW sich laut Medienberichten der Süddeutschen Zeitung vorstellen könne, dem Betriebsrat das Recht für Verhandlungen einzuräumen.
Nachdem das Investoren-Angebot eine klare Absage erhielt, ist es an der Zeit, dass die Politik dem Versprechen alles zu tun, um Arbeitsplätze zu erhalten, konkrete Taten folgen lässt. Der Staat würde einen großen industriepolitischen Fehler machen, ließe er den Nutzfahrzeug-Bauer mit 100jähriger Tradition, eine Schlüsselindustrie und wichtige Ausbildungsstätte mit so großem Know-How einfach so ziehen.
Der GLB fordert daher eine öffentliche Beteiligung mit echter Mitentscheidung der Belegschaft. Entscheidungen, wie die Produktion gestaltet wird, sollten im Zusammenwirken mit der Belegschaft getroffen werden. Sie haben das größte Wissen über die Arbeitsabläufe der Produktion und die Anlagen. Warum nicht die Produktion unter staatlicher Führung umstrukturieren in eine Produktionsstätte nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten, zum Beispiel für Bedarfe eines ökologischen Güterverkehrs oder des öffentlichen Verkehrs?
Stefanie Breinlinger ist Sozialarbeiterin bei FAB Linz und GLB-Landesvorsitzende OÖ