Ausreichende Finanzierung erforderlich

Unser Sozialstaat ist eine große Errungenschaft. Er schafft durch Transferleistungen wie Familienbeihilfe, Pensionen, Arbeitslosengeld und die Bereitstellung von Dienstleistungen und kommunaler Infrastruktur die notwendigen Rahmenbedingungen, um das Wohlbefinden der Bevölkerung zu sichern und reduziert zumindest teilweise soziale Ungleichheit.

Sozialschutzleistungen werden unter anderem durch die lohnbezogenen Dienstgeberabgaben, also den sogenannten Lohnnebenkosten, finanziert. Lohnnebenkosten – oder wie international üblich, indirekte Arbeitskosten – sind Beiträge zum Sozialstaat, die der Arbeitgeber, direkt an den Staat abführt. Sie berechnen sich auf Basis des Bruttogehalts und werden auf dieses draufgeschlagen.

Mythen um eine Senkung

Zwei Mythen halten sich zum Thema Lohnnebenkosten hartnäckig. Erstens wird regelmäßig behauptet, Lohnnebenkostensenkungen würden zu „mehr netto vom brutto“ führen. Zweitens wird von einer großen Entlastung der Unternehmen gesprochen, die Unternehmen wettbewerbsfähiger macht. Beide Behauptungen lassen sich aber recht rasch widerlegen.

Mehr netto vom brutto ist nicht mehr als ein fadenscheiniges Versprechen. Die Lohnnebenkosten sind nämlich gar nicht im Bruttogehalt enthalten, sondern werden auf dieses draufgeschlagen. Folglich führt eine Senkung der Lohnnebenkosten erst einmal nur zu niedrigeren Kosten für Unternehmen bzw. zu höheren Gewinnen. Damit die Arbeitnehmer:innen auch etwas davon haben, müssten die Unternehmen diese „Ersparnis“ direkt als höhere Löhne weitergeben. Wirtschaftswissenschaftliche Literatur als auch vergangene Senkungen zeigen, dass die höheren Gewinne eingeheimst werden, aber keine höheren Löhne zur Folge haben.

Die Behauptung, dass alle Unternehmen von einer Lohnnebenkostensenkung profitieren, ist nicht ganz richtig. Tatsächlich ist es so, dass nur wenige Konzerne den Löwenanteil der Ersparnis erhalten. Bei einer Senkung um eine Milliarde Euro gingen 470,6 Millionen Euro, also fast die Hälfte an nur ein Prozent der Unternehmen, nämlich große Konzerne, Banken und Versicherungen, die ohnehin die Gewinner der Krise waren. Kleinbetriebe profitieren hingegen kaum, die restlichen 99 Prozent der Unternehmen – im Wesentlichen die KMUs, die das Gros österreichische Unternehmen ausmachen – erhalten zusammen die restlichen 530 Milli- onen Euro.

Sozialstaat als Standortvorteil

Befürworter:innen von Lohnnebenkostensenkungen reden den Sozialstaat oft generell schlecht und stellen ihn als Belastung für den Wirtschaftsstandort Österreich dar. Der vor einigen Wochen veröffentlichte Sozialbericht zeigt hingegen, dass der Sozialstaat ein bedeutender Standortfaktor ist. So hebt er hervor, dass öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit und Wohnen nicht nur entscheidend für gute Lebensverhältnisse sind, sondern auch die Produktivität und die Prosperität steigern. Preislich wird Österreich ohnehin nie mit China oder anderen Billiglohnländern mithalten können. Wichtig ist der Fokus auf Qualität und Produktivität.

Mindereinnahmen für den Staat

Seit 2015 wurden die Beiträge zum Sozialstaat bereits mehrere Male gesenkt und führten dadurch zu erheblichen Mindereinnahmen für den Staat. Insgesamt entgehen dem Staat Österreich durch die vergangenen zehn Lohnnebenkostensenkungen im Zeitraum zwischen 2015 und 2025 insgesamt 16,3 Milliarden Euro.

Diese Mindereinnahmen sind vor dem Hintergrund der Konjunkturlage und den strengeren europäischen Fiskalregeln besonders fatal. Einige Wirtschaftsforscher mahnen bereits Sparpakete ein. 2,5 Milliarden Euro jährlich müsste Österreich in den nächsten vier Jahren einsparen, um die Fiskalregeln einzuhalten. In Kombination mit vergangenen und womöglich weiteren Senkungen verschärft sich die Situation. Der Druck auf das Budget steigt. Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, wenn es zu Konsolidierungsdruck kommt, dann trifft das meis- tens sozialstaatliche Leistungen.

Statt einer Aushöhlung des Sozialstaats braucht es ein stärkeres politisches Engagement für einen Ausbau des Sozialstaats, indem Arbeitskräfte in der Pflege, in der Kinderbildung etc. besser entlohnt und die Arbeitsbedingungen so verbessert werden, dass die Arbeitnehmer:innen die dort arbeiten, dies auch weiterhin tun wollen.

Mit der Transformation und der demographischen Entwicklung kommen enorme Herausforderungen auf uns zu. Für diese muss unser Sozialsystem gewappnet sein. Eine Budgetkonsolidierung zu Lasten der Beschäftigten, der Frauen und der Pensionist:innen ist entschieden abzulehnen. Statt ausgabenseitiger Einsparungen im sozialstaatlichen Bereich gilt es, die budgetären Einnahmen über Steuern auf Kapital und Vermögen zu erhöhen.

Helene Schuberth ist Leiterin des volkswirtschaftlichen Referats des ÖGB

Infografik: AK

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