Ausbeutung auf Bestellung

Der Untertitel „Österreicher findest für die Arbeit keine“ bringt es treffend auf den Punkt. Johannes Greß beschreibt in seinem Buch eindrucksvoll prekäre Arbeitsverhältnisse, die praktisch ausschließlich von Migrant:innen eingegangen werden (müssen).

Am Thema Interessierten ist der in Wien lebende freie Journalist ein Begriff. Er recherchiert seit vielen Jahren zu prekären Arbeitsbedingungen und Migration. Auch zu den im ersten Teil des Buches vorkommenden Themen hat er bereits in verschiedenen Medien Artikel veröffentlicht.

Im Buch beschreibt er die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller:innen bei DPD bzw. deren Subfirmen, der Essenslieferant:innen, von Forstarbeitern und von Reinigungskräften, die ihre Arbeitskraft über Online-Plattformen anbieten.

Dabei hat er mit Menschen gesprochen, denen sonst kaum jemand zuhört, deren Schicksale meist im Verborgenen bleiben. So lesen sich die Stundenlisten eines Paketzustellers etwa wie aus einer anderen Zeit: „15 Stunden am Montag, 14 Stunden am Dienstag, 15 Stunden am Mittwoch, 16 Stunden am Donnerstag und 17 Stunden am Freitag.“ Im Standard veröffentlichte Johannes Greß dazu im letzten Jahr einen Artikel.

Aufmerksamen Leser:innen der „Arbeit“ ebenso bekannt, sind die Recherchen zu den lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in der Forstarbeit. Dieses Rechercheprojekt wurde vom GLB unterstützt.

Auch wer diese Recherchen teilweise bereits kennt, wird das Buch lesenswert finden, denn es werden die Parallelen zwischen den Branchen sichtbar. Ergänzt werden Artikel zu den Arbeitsbedingungen in den einzelnen Branchen durch Interviews. Dabei kommen Aktivist:innen aus gewerkschaftlichen bzw. gewerkschaftsnahen Initiativen – wie dem Riders Collective – zu Wort, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Arbeitsbedingungen in der jeweiligen Branche zu verbessern.

Teil zwei und drei des Buches beleuchten die Hintergründe der zunehmend prekären Arbeitswelt, geben einen kurzen Abriss über die Entwicklung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung und versuchen Impulse für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu geben.

Vielem kann hier beigepflichtet werden. Der im Buch vertretene Begriff von Arbeiterklasse bzw. die These, diese sei passé ruft Widerspruch hervor. Sie hat sich verändert, ist aufgrund von Zuwanderung multiethnisch und multikulturell geworden. Warum die Lohnabhängigen im Dienstleistungssektor nicht zur Arbeiterklasse zählen sollen und warum hier eine neue Klasse entstehen könnte, erschließt sich nicht.

Auch, wenn der Autor in diesem Punkt eine andere Sichtweise vertritt, kann der Kauf des Buches empfohlen werden. Es ist sowohl im stationären Buchhandel als auch im Onlinehandel verfügbar. Bei der Art des Erwerbs des Buches kann sich jede:r Leser:in gleich Gedanken machen, welche Auswirkungen Konsumentscheidungen haben. Die Gedanken des Autors zur Rolle der Konsument:innen können anschließend im Buch nachgelesen werden.

  • Johannes Greß: Ausbeutung auf Bestellung, ÖGB Verlag, 268 Seiten, 22,90 Euro, ISBN: 978-3-99046-697-1

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