Auf die Sprünge helfen
Roland Steixner über explodierende Wohnkosten
Unter dem Slogan „ideal für Berufstätige“ stellt das Immobilienportal „Immowelt“ das Exposee eines knapp über 14 Quadratmeter großen WG-Zimmers ins Netz: Miete 580 Euro.
Das sind also rund 40 Euro pro Quadratmeter. Ideal für solche Berufstätigen, die ohnehin 60 Stunden in der Woche hackeln müssen, um sich dieses Zimmer leisten zu können, und kaum Zeit dafür haben, sich darin beengt zu fühlen.
Derartige Anzeigen mögen als ein Feuerwerk des Zynismus erscheinen, doch am privaten Wohnungsmarkt sind exorbitant hohe Mietanbote schon längst Standard. Die Wohnkosten sind in den letzten Jahren explodiert: Seit 2008 sind die Mieten um rund 60 Prozent gestiegen, die nominellen Einkommenszuwächse hingegen um knapp 30 Prozent.
Laut dem Ökonomen der Unicredit- Bank Walter Pudschedl (APA, 11.1.2022) ist der reale Wert des durchschnittlichen österreichischen Nettoeinkommens gegenüber dem Mietpreisindex um rund 20 Prozent gesunken. Die Pandemie hat diese für die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen verheerende Entwicklung noch weiter verschärft.
Die seit der Finanzkrise anhaltende Kapitalzufuhr in den Immobilienmarkt als sichere Anlage hat sich seit Beginn der Pandemie noch weiter verstärkt. Hinzu kam eine zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum mit Freiflächen oder das klassische Haus mit Garten, das sich insbesondere in Zeiten der steigenden Infektionszahlen hoher Beliebtheit erfreute. Und seit dem Beginn der Pandemie ist der durchschnittliche Wert eines Jahreseinkommens um rund 13 Prozent gesunken. Wer sich eine 100-Quadratmeter- Wohnung kaufen wollte, musste 2021 rund 15 durchschnittliche Jahresgehälter hinblättern. Vor Beginn der Pandemie waren es noch eineinhalb Jahresgehälter weniger.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Wohnungspolitik der Bundesregierung zu betrachten. Das Mietzinsrechtliche Pandemiefolgenlinderungsgesetz, das mit 1. April 2021 in Kraft trat, bedeutete nur einen Aufschub der Mieterhöhung, nicht jedoch deren Aussetzung. Im Gegenteil: Nach der nun knapp 6-prozentigen Erhöhung der Richtwertmieten folgt 2023 eine weitere. Wer noch einen Altmietvertrag hat, für den noch der Kategoriemietzins gilt, darf dieses Jahr sogar gleich zwei Mieterhöhungen schultern.
So stieg der Quadratmeterpreis für eine Kategorie-A-Wohnung schon mit dem 1. April von 3,60 Euro auf 3,80 Euro. Mit 1. Juni ist er nun ein weiteres Mal auf 4,01 Euro angestiegen. Somit haben Menschen mit Altmietverträgen im Jahr 2022 eine Mieterhöhung von mehr als 10 Prozent zu schultern. Hinzu kommen noch die explodierenden Strom- und Gaspreise, Gebühren und Lebensmittelpreise.
Die einzige Konstante scheinen neben den Einkommen die Sozialleistungen zu sein. Das Handeln der Politik beschränkt sich großteils auf symbolische Gesten, Einmalzahlungen und Gutscheine, während einige Konzerne wie McDonald’s Förderungen kassierten, obwohl sie auch während der Pandemie Profite machten.
Ein genereller Mietenstopp, geschweige denn die Einführung von Mietobergrenzen für alle Wohnungen erscheinen den politisch Verantwortlichen undenkbar. Diesem fehlenden Denkvermögen ist mit Druck von der Straße und aus den Betrieben auf die Sprünge zu helfen.
Roland Steixner ist Betriebsrat bei G4S und Aktivist der Alternativen Liste Innsbruck
Cartoon Karl Berger