Anleger ausgenommen, Oligarchen nach Dubai

Anne Rieger über die Russland-Sanktionen

Täglich erreichen uns Schreckensbilder aus der Ukraine. Wir wollen beitragen, den Krieg zu beenden, die russische Regierung unter Druck zu setzen. Entsprechend groß ist die Zustimmung zu Wirtschaftssanktionen, die laut der deutschen Außenministerin Baerbock „Russland ruinieren“ sollen.

Oligarchen, Politiker, Unternehmen, Banken sollen von der internationalen Geschäftemacherei ausgeschlossen werden, ihre Profite gekürzt oder gänzlich verschwinden. Damit wird gehofft, Druck auf Putin machen, diesen Krieg zu beenden.

Was bewirken Sanktionen?

„Die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen treffen die russische Bevölkerung und exportorientierte Unternehmen hart“, so Peter Fischer, Chefökonom der „Neuen Zürcher Zeitung“ kürzlich. Doch ob und wie die Machtelite um Putin leide sei fraglich. Er bleibe skeptisch, ob die Maßnahmen tatsächlich ein Ende der Kampfhandlungen bewirken. Die Wohlfahrt der Russ*innen sowie der Reichtum von Wirtschaftsmagnaten würden sich zweifelsfrei verringern.

Offensichtlich ist, dass die Sanktionen zuallererst einfache Menschen in Russland, aber auch in Deutschland, in der EU und vielen Ländern der Welt treffen. In Russland werden nahezu alle Waren teurer. Grundnahrungsmittel kosteten über 13 Prozent mehr als 2021. Ökonomen sehen die Inflationsrate in Richtung der 20-Prozent-Marke steigen. Menschen stehen Schlange vor Läden und Geldautomaten. Bei uns steigen die Energiepreise. Den Weg zur Arbeit können sich bald viele nicht mehr leisten. Die Lebensmittelpreise eskalieren. Wohnungen werden kalt. Frieren für den Frieden?

Die gut Betuchten und Politiker*innen, die uns das vorschlagen, leben in gut gewärmten Wohnungen. Teurere Energie, Benzin und Lebensmittel zahlen sie locker von ihren hohen Einkommen. Oligarchen wie Abramowitsch, der Villen und Luxusjachten besitzt, treffen diese unfreundlichen Akte zwar, er musste sogar seinen Fußballklub verkaufen.

Auch Melnitschenkos Jacht liegt in Triest fest, aber weder frieren die Oligarchen noch müssen sie im Sozialmarkt einkaufen. Auch die Besetzung von Deripaskas Villa, macht diesen nicht obdachlos. Die Oligarchen ziehen nach Dubai, den Krieg in der Ukraine beendet das nicht.

Wohl aber profitieren die Reichen, vor allem in den USA. „Die neuen Sanktionen der USA gegen Russland zielen vor allem auf europäische und deutsche Unternehmen“, schrieb Sarah Wagenknecht im August 2017. „Statt mit russischem Gas soll Europa künftig vorrangig mit teurem und ökologisch katastrophalem Fracking- Gas aus den USA versorgt werden“.

Wirtschaftskrieg

Man könnte auch Wirtschaftskrieg dazu sagen. Flugverbote für russische Maschinen, Stopp von Hightech-Lieferungen, russische Banken werden aus dem internationalen Finanzsystem Swift ausgeschlossen, Transaktionen mit der russischen Notenbank verboten, Vermögenswerte eingefroren. Finanzielle Umgehungen funktionieren trotzdem. Forderungen nach einem Importstopp für russisches Öl und Gas wurden lauter. Indes geht der Krieg weiter. Die Sanktionen haben bislang zu keinem Stopp des Kriegsgeschehens geführt.

Beim G7- und dem EU-Gipfel, mit US-Präsident Biden als Gast, ging es um weitere Verschärfungen der Sanktionen. Die USA und Großbritannien gaben neue Strafmaßnahmen gegen Russland bekannt. Der Druck auf die EU, sich dem US-Ölembargo gegen Russland anzuschließen und auch die Erdgaseinfuhr auf null zu reduzieren stieg, nachdem Moskau angekündigt hatte, es werde für seine Lieferungen nur noch eine Bezahlung in Rubel akzeptieren

Mauern für Gespräche

Bei Sanktionen gibt es oft zwei Probleme: Erstens schaden sich die Länder, die die Strafen verhängen selbst – schließlich bekommt Österreich weniger Gas aus Russland, das brauchen wir aber für die Industrie und zum Heizen. Die stark gestiegenen Energie- und Agrarrohstoffpreise aufgrund des Krieges setzen die heimische Lebensmittelindustrie unter Druck. Österreichs Agrar- und Lebensmittelimporte aus Russland und der Ukraine sind vergleichsweise nicht hoch.

Grosse Agrarexporteure

Aber die beiden Länder bestimmen als große Agrarexporteure bei Getreide, Obst, Ölsaaten und Soja die Preisbildung in Europa mit, so die WKO- Vertreterin Koßdorff. Russland habe auch indirekt große Bedeutung für die heimische Lebensmittelindustrie, weil Österreich von Erdgas aus Russland stark abhängig sei. Wenn Roh- stoffe und Transportkapazitäten weltweit knapp sind, „dann steigen auch die Preise für Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungs- kette“.

Und zweitens dauert es lange, bis durch Sanktionen ein spürbarer Nachteil entsteht. Bis dahin treffen sie die einfachen Menschen. Sanktionen haben in der Vergangenheit noch nirgends auf der Welt etwas bewirkt. Außer dass man dadurch Mauern für Verhandlungen weiter erhöht, so NZZ-Chefökonom Fischer. Wir brauchen Lösungen für die Menschen statt weiterer Eskalation.

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