Angriff auf Grundrechte
Georg Erkinger über die Novelle des Epidemiegesetzes
„Als Veranstaltungen gelten Zusammenkünfte von zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten“, so sah es ein Gesetzesentwurf zum Epidemiegesetz und zum Covid-Maßnahmengesetz des Gesundheitsministeriums vor.
Obwohl die Pandemie mittlerweile mehr als ein Jahr andauert und ausreichend Zeit gewesen wäre, sinnvolle gesetzliche Änderungen vorzubereiten, wurde von Seiten des Gesundheitsministeriums versucht, die Änderungen im Eilzugstempo durchzupeitschen. Lediglich vier Werktage blieben Anfang März zur Begutachtung und Stellungnahme im stark ver- kürzten Gesetzgebungsverfahren Zeit.
Stellungnahme des GLB
Der Gewerkschaftliche Linksblock kritisierte in seiner Stellungnahme an den Nationalrat die verkürzte Begutachtungsfrist. Von den eigenen grünen Forderungen nach Bürger*innenbeteiligung hält das Gesundheitsministerium angesichts der – ohne Not – minimalen Frist offensichtlich wenig.
Mit der geplanten Neuregelung würde der Gesetzgeber weitreichende Möglichkeiten von Grundrechtseinschränkungen auf dem Verordnungswege schaffen. Dabei ist die Differenzierung nach Art und Größe der Veranstaltung als Kann-Bestimmung geplant. Es steht zu befürchten, dass private Familientreffen zukünftig nur mehr in Gondeln diverser Schigebiete erlaubt sein könnten.
Neben den bisher rechtswidrig erlassenen Verordnungen hat uns die Bekämpfung dieser Pandemie nämlich eines gezeigt. Sowohl Lasten als auch Unterstützungsleistungen werden sehr ungleich verteilt. Während im privaten Bereich massive Grundrechtseinschränkungen umgesetzt werden, wird dort wo es um die Gewinne von Konzernen und die Dividenden von Aktionären geht, sehr zögerlich vorgegangen. Weder gab bzw. gibt es eine Pflicht zum Homeoffice, noch wurden in vielen Bereichen ausreichend Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz gesetzt. Selbst der Schutz der Risikogruppen wurde zu Beginn der Pandemie äußerst spät angegangen.
Die geplanten gesetzlichen Änderungen sind daher in dieser Form abzulehnen. Vielmehr braucht es gerade in Zeiten einer Pandemie ausgewogene Maßnahmen und eine gerechte Verteilung der Lasten. Kapazitäten des Gesundheitssystems und des Contact-Tracings sind so auszulegen, dass nicht schon bei geringen Mehrbelastungen der Zusammenbruch droht. Ein Ende des Kaputtsparens staatlicher Strukturen macht damit auch die geplanten Verschärfungen der Ausgangsregeln unnötig.
Kritik von allen Seiten!
Der mittlerweile zurückgetretene Minister Anschober hat sich mit seiner Vorgangsweise einmal mehr massiven Unmut eingehandelt. So teilte unter anderem auch die Bundesarbeiterkammer die Einschätzung, dass es keinen Grund für eine verkürzte Begutachtungsfrist gibt und verwies den Minister darauf, dass es um verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte geht.
Die österreichische Rechtsanwaltskammer stellte in ihrer Stellungnahme einleitend und vernichtend fest: „Dem Entwurf fehlt eine allgemeine Begründung, weshalb gerade die vorgesehenen Änderungen notwendig, angemessen, zielführend und verhältnismäßig sein sollen.“
Und die Volksanwaltschaft hielt etwa fest, „dass es in rechtspolitischer Hinsicht generell fragwürdig erscheint, wenn gesetzliche Regelungen, die nicht nur an einen kleinen Adressatenkreis, sondern an alle Rechtsunterworfenen gerichtet sind, vom gewöhnlichen Sprachgebrauch deutlich abweichen. So wäre vor der Versendung dieses Begutachtungsentwurfes wohl niemand auf die Idee gekommen, dass eine drei- oder mehrköpfige, im selben Haushalt lebende Familie zu einer „Veranstaltung“ geht, wenn diese sich ausschließlich mit einer haushaltsfremden Person trifft.“
Teilweises zurückrudern
Nach einer Flut an negativen Stellungnahmen kündigte das Gesundheitsministerium eine teilweise Entschärfung an. Nach den letzten Plänen soll die Grenze für Veranstaltungen bei vier Erwachsenen und sechs Kindern liegen. Anders als ursprünglich geplant, soll diese Regel auch nicht im Epidemiegesetz, sondern im Covid- Maßnahmengesetz verankert werden.
In den ursprünglichen Plänen war dieser massive Grundrechtseingriff nämlich zeitlich unbefristet vorgesehen. Ausdrücklich hervorgehoben wurde in der Kurzinformation des Ministeriums auch, dass sich die Maßnahmen nicht auf die Corona Pandemie beschränken sollten.
„Um – auch im Hinblick auf mögliche künftige Epidemien durch Krankheitserreger mit noch unbekannten Eigenschaften – für Rechtsklarheit zu sorgen, soll bei Veranstaltungen nunmehr auf Zusammenkünfte zwischen Personen aus verschiedenen Haushalten (ab einer Größe von zumindest vier Personen aus zumindest zwei verschiedenen Haushalten) abgestellt werden“ Auch das ist nun vom Tisch. Der massive Widerstand hat damit zumindest teilweise Wirkung gezeigt.
Georg Erkinger ist GLB-Bundesvorsitzender und Arbeiterkammerrat in der Steiermark
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