Alternative zur Schliessung

„In Familienbetrieben fehlen immer öfter die Nachfolger“ (Presse, 16.5.2024): Ohne Nachfolge droht vielen Unternehmen die Schließung, was Arbeitsplätze und die Versorgung vor Ort mit Gütern des täglichen Bedarfs sowie Dienstleistungen gefährdet.

Naturgemäß haben Vertreter:innen der Wirtschaft ein Interesse daran, Klein- und Mittelbetriebe zu fördern – handelt es sich dabei doch so oft um Räume mit schwachem gewerkschaftlichen Einfluss. Wenn sich allerdings keine geeigneten Nachfolger:innen für die Betriebe finden lassen, liefern ihre neoliberalen Ansätze keine befriedigende Lösung. Es gibt aber Alternativen zur Betriebsaufgabe – die Über- nahme in Selbstverwaltung durch die Belegschaft.

Arbeiter:innen-selbstverwaltete Betriebe, oft in Form von Genossenschaften organisiert, bieten eine Reihe von Vorteilen. In solchen Betrieben wird es möglich, das herkömmliche Verhältnis von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen aufzuheben, da Entscheidungen basisdemokratisch getroffen werden können. Laut einer Studie des YouGov-Instituts können sich 60 Prozent der Deutschen vorstellen, Mitglied einer Genossenschaft zu werden – dies unterstreicht das Potenzial solcher Betriebe.

Bekannt wurden zum Beispiel die arbeiter:innenverwalteten Betriebe Jugoslawiens oder auch die Selbstverwaltung in den autonomen Gebieten Nord- und Ostsyriens. Aus diesen Projekten kann man lernen, dass es möglich ist, die demokratische Beteiligung der Arbeiter:innen zu fördern– und das trotz immenser Repressionen. Es entsteht ein Habitat, in dem sich Chancengleichheit und Produktivität gleichermaßen entfalten können.

Darüber hinaus ermöglicht ein solches System eine bessere Anpassung an die lokalen Gegebenheiten, da die Entscheidungen dezentralisiert werden und staatliche Strukturen nicht eingreifen können. Nichtsdestotrotz gab es auch einige Nachteile. In einigen Fällen in Jugoslawien führte die mangelnde zentrale Koordination zu Konkurrenz zwischen Betrieben, was die Effizienz und Zusammenarbeit untergrub. Dennoch bleibt das Modell der jugoslawischen Selbstverwaltung ein wichtiger Anhaltspunkt für die Entwicklung zukünftiger Modelle zur Unternehmensführung durch die Belegschaft.

Italien liefert hier ein interessantes Beispiel dafür, wie die Übernahme durch die Arbeiter:innen vonstattengehen kann. Das Marcora-Gesetz ermöglicht es Arbeitnehmer:innen, im Falle der Schließung durch fehlende Nachfolge ihre Arbeitslosenunterstützung der kommenden drei Jahre in Form einer Einmalzahlung zu erhalten, wenn sie sich entscheiden, ihr Unternehmen zu übernehmen und genossenschaftlich weiterzuführen.

Dieses Gesetz, benannt nach dem Widerstandskämpfer Giovanni Marcora, zielt darauf ab, Arbeitslosen die notwendigen finanziellen Mittel zu bieten, um kollektiv selbstständig zu werden und Arbeitsplätze zu erhalten. Das Gesetz unterstützt damit die wirtschaftliche Entwicklung und hilft, die Arbeitslosigkeit durch Förderung der Selbstständigkeit zu reduzieren. Es trägt ferner einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung und zur Auf- rechterhaltung lokaler Versorgungsstrukturen bei.

Es ist aber anzumerken, dass es auch hier Verbesserungsbedarf gibt. So entsteht ein erneuter Anspruch auf Arbeitslosengeld erst nach drei Jahren. Außerdem müssen diese Unternehmen nach wie vor in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem geführt werden, wodurch trotz Demokratisierung Druck auf die Belegschaft aufgebaut werden kann. Trotz dieser Kritik zeigt sich, dass viele der nach dem Marcora-Gesetz gegründeten Genossenschaften erfolgreich geführt werden.

So weisen die nach 2007 durch Übernahmen von Mitarbeitenden gegründeten Genossenschaften eine Überlebensquote von 87,16 Prozent auf, während die durchschnittliche Überlebensquote italienischer Unternehmen in den ersten drei Jahren nach ihrer Gründung zwischen 2007 und 2013 lediglich bei 48,30 Prozent lag.

Angesichts der aktuellen Lage auf dem österreichischen Nachfolgemarkt ist es dringend erforderlich, sich von kapitalistischen Lösungsansätzen abzuwenden und solidarische, kollektiv getragene Modelle zu fördern. Am 1. Dezember 2024 tritt das Grace-Period-Gesetz in Kraft, welches Erleichterungen bei Betriebsübergaben schafft.

Antragsberechtigt sind nur Personen, die zur Antragsteller:in in einem Angehörigenverhältnis stehen. Dafür gibt es dann für die Sprösslinge der Bourgeoisie neben der Planungs- und Rechtssicherheit auch die Möglichkeit, Arbeitnehmer:innenrechte zu beschneiden. Verkauft wird dies dann als „Entbürokratisierung und Kostensenkung“. Vermissen lässt das Gesetz Anreize für die Selbstverwaltung. Daher wird es zur Aufrechterhaltung von Klassenstrukturen, aber sicherlich nicht zur Demokra tisierung von KMUs beitragen.

Lukas Gneist ist Techniker und lebt im Burgenland

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