Alle Löhne rauf!
GLB-Bundesvorsitzender Georg Erkinger zur Lohnpolitik des GLB
Immer wieder wird er ins Treffen geführt – der in Österreich besonders hohe Deckungsgrad bei den Kollektivverträgen. Gar 98 Prozent soll die KV-Abdeckung betragen und weit höher als in anderen Ländern sein. Alles bestens – kein Problem in Sicht.
Es lohnt sich jedoch genauer hinzusehen und zunächst einmal den Deck- ungsgrad an sich in Frage zu stellen. Im öffentlichen Dienst werden Löhne und Gehälter nicht in Kollektivverträgen geregelt, sondern mittels Gesetz. Bei den freien Dienstnehmer*innen sind Kollektivverträge rechtlich auch nicht möglich. Der Deckungsgrad bezieht sich also nur auf jene Bereiche, in denen überhaupt Kollektivverträge abgeschlossen werden dürfen.
Bei Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten werden die Ergebnisse der Gehaltsverhandlungen in Gesetze gegossen, bei den freien Dienstnehmer*innen geschieht überhaupt nichts. So haben diese etwa beim Essenszusteller Mjam gegen die schlechte Entlohnung protestiert. Anders als für ihre regulär angestellten Kolleg*innen gelten für sie nämlich die Mindestlöhne und sonstige KV-Regelungen nicht.
Gibt es in einer Branche einen Kollektivvertrag, heißt das aber nicht, dass dieser jedes Jahr neu verhandelt wird: „In Österreich gibt es über 800 Kollektivverträge. Jährlich schließen die Gewerkschaften mit der Arbeitgeberseite über 450 Kollektivverträge ab.“ (Quelle: www.entsendeplattform.at) Es gelten somit zum Teil die Lohn- und Gehaltstafeln aus längst vergangenen Zeiten weiter bzw. finden keine Erhöhungen statt.
In regelmäßigen Abständen erhöht der ÖGB seine Mindestlohnforderung. Aktuell liegt diese bei 2.000 Euro. Wie sich an den Verhandlungsergebnissen der Herbstlohnrunde zeigt, wurde diese Forderung vielfach klar verfehlt. Es mangelt an Strategie zur Umsetzung.
Auch in der Vergangenheit konnten die Mindestlohnforderungen nicht zeitnah erreicht werden. Unverbindliche Generalvereinbarungen mit der Wirtschaftskammer und die Verlagerung der Verhandlungen auf die Branchenebene führten dazu, dass es Jahre nach Verkündigung der Einigung noch immer Löhne unter diesen gab.
Angesichts der Rekordinflation ist es aus Sicht des GLB dringend notwendig statt der rollierenden, aktuelle Inflationsraten bei den Verhandlungen zu berücksichtigen. Es braucht eine Ausweitung der Kollektivverträge auf die freien Dienstnehmer*innen und ein kämpferisches Auftreten, damit auch Produktivitätsfortschritte wieder den Beschäftigten finanziell zugutekommen.
Überall dort wo dies nicht ausreichend gelingt, muss ein gesetzlicher Mindestlohn die Untergrenze bilden. Automatisch wertgesichert würde er dazu beitragen Niedriglöhne zu verhindern – angesichts der Rekordinflation dringend notwendig. Mit Sicherheit schwächt er nicht die Rolle der Gewerkschaften bei den Lohnverhandlungen. Unverbindliche Vereinbarungen mit der Wirtschaftskammer sind keine Alternative dazu.