Pensionsdebatte führt zur Verarmung

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen ist wieder einmal die Debatte um die Finanzierbarkeit  aufgeflammt. Sogenannte Expert:innen verlangen “Länger arbeiten” und „Pensionsanpassungen unter der Inflation”. Griechenlands Beispiel zeigt, das ist ein Weg zur weiteren Verarmung im Alter.

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter ist seit 2000 gestiegen. Bei Männern von 58,5 auf 62,2 Jahre, bei Frauen stieg es von 56,8 auf 60,2 Jahre. Trotz des bereits gestiegenem Pensionsantrittsalter wettern Wirtschafts- und Pensionsexpert:innen gegen angeblich längerfristig nicht finanzierbare Pensionen. Das, obwohl der “EU-Ageing-Report-2024” anderes bescheidet. 

Die Aufwendung für das öffentliche Pensionssystem wird von derzeit 13,7 Prozent äußerst moderat steigen. Der Anstieg beträgt bis 2070 drei Zehntelpunkte auf 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dennoch: die “Pensionsfladderer” ereifern sich mit neuen obskuren Vorschlägen. Trotzdem verlangen die “WIFO-Experten” Gabriel Felbermayr  und Thomas Url und „Sozialexperte“ Wolfgang Maza ein “Länger arbeiten“ ein.  Da Regierungen befürchten, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden, empfehlen sie einen “Automatismus” einzuführen. Daraus ergäben sich weitaus niedrigere politische Kosten.

Felbermayr geht noch weiter, er will Pensionsanpassungen unter die Inflation (also in den Minusbereich) drücken: „Hält man das ein paar Jahre durch, würde das schon einiges bringen.” In der Debatte verlangt er auch das Pensionsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und verweist dabei undifferenziert auf Griechenland: 

Von der „Verarmung griechischer Rentner:innen” berichtete der ARD zehn Jahre nach dem Troika-Zwangs-Pensionsraubzug. Anfang der 2000er-Jahre konnten die Griechen noch mit 57 Jahren in den Ruhestand. Jetzt liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 67 Jahren und soll bis 2070 bei 72,5 Jahre liegen. Laut OECD ist in Griechenland das Rentenniveau seit 2012 von rund 80 auf 51 Prozent gesunken. Das Konzept „Renten kürzen und länger arbeiten“ hat die Schwierigkeiten der griechischen Altersversorgung nur noch verschärft. 

Viel relevanter als das gesetzliche Pensionsalter ist, wann Menschen tatsächlich in Pension gehen. Die Kurve geht da ohnehin deutlich nach oben. Zudem ist Pensionsalter nicht gleich Pensionsalter: Alter, Krankheit und lange Versicherungsdauer ergeben sehr unterschiedliche Gründe für einen Pensionsantritt.

“Wer mindestens 40 Versicherungsjahre erworben hat, kann mit gutem Recht mit 62 Jahren die Korridorpension in Anspruch nehmen. Den früheren Antritt finanzieren sich die Versicherten durch entsprechende Abschläge selbst”, argumentiert beispielsweise der ÖGB. Das faktische Antrittsalter wird aber auch wegen krankmachender Arbeit gedrückt. Wenn sich die Lebens- und Arbeitssituationen verbessern, wird sich die Zahl der vorzeitigen Pensionsantritte reduzieren. Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen werden dann deutlich weniger in Anspruch genommen werden. Das faktische Pensionsantrittsalter würde rasch ansteigen. 

Ein Umstand, der selbst der teifschwarzen Seniorenbund-Chef Ingrid Korosec auffällt. Es braucht altersgerechte Arbeitsplätze und Investitionen in Prävention, damit die Menschen gesünder alt werden. Aber diese Weisheit scheuen die sogenannten Expert:innen lieber. Bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitverkürzung passen nicht in den neoliberalen Zeitgeist.

Josef Stingl ist stv. Bundesvorsitzender des GLB und Mitglied im ÖGB-Bundespensionist:innenvorstand

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