AK-Salzburg: Intensive Corona-Debatte
Die 6. AK-Vollversammlung Salzburg fand am 11. November 2021 unter Einhaltung der 2G-Regel in Präsenz und mit online-Zuschaltungen statt. AK-Präsident Peter Eder verzichtete als K1-Person auf die Teilnahme in Anwesenheit, da seine PCR-Testauswertung nach 49 Stunden noch nicht vorlag. In seinem Bericht warf Eder der Regierung ein Komplettversagen bei der Pandemiebekämpfung vor. Seit Beginn der Pandemie machten die Arbeiterkammern und AN-Interessensvertretungen Vorschläge, bisher wurden diese kein einziges Mal eingeladen und eingebunden. Im Bundesland Salzburg wurde Billigstbieter Novogenia mit Firmensitz im Land Salzburg vom Land beauftragt, die PCR-Testversorgung zu übernehmen.
Diese werden in Spar-Filialen unkontrolliert [wurde inzwischen geändert, Anm.] ausgegeben, was dazu führt, dass viele keine Tests bekommen, auch, weil es im ländlichen Bereich vielerorts keine Spar-Filialen gibt. Die Testauswertungen dauern inzwischen an die 50 Stunden. Eder kritisierte Landeshauptmann Haslauers Aussage, die Virologen wollten Ungeimpfte wegsperren, verhungern, verdursten und an psychischen Problemen sterben lassen, scharf. Diese Polemik diene keiner Lösung, es brauche Aufklärung statt Spaltung.
Eder gratulierte den Bediensteten der Pflegeberufe für die bundesweite aufrüttelnde Maßnahme „5 nach 12“ und stellt fest, dass es nicht mehr 5 nach 12 sondern bereits halb eins sei. Bereits vor der Pandemie, 2018, sei bei Umfragen Personalmangel als dringliches Problem klar zum Ausdruck gekommen – ein Versagen der Politik. Die dringende Forderung laute daher, das Gesetz, dass ab 2023 keine diplomierten Pflegekräfte mehr ausgebildet werden, sofort zurückzunehmen.
Im Bereich Elementarpädagogik zeichne sich ein ähnliches Problem ab. Schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen führten zu Personalabwanderung. Hilferufe an die zuständige Landespolitikerin Klammbauer prallten ab, Kindergartengruppen müssten geschlossen werden. Lösungen seien die Forcierung der Ausbildung (statt akademisieren), bessere Bezahlung und familiengerechte Arbeitszeiten.
Zur „öko-sozialen“ Steuerreform meinte Eder, dass er hier sowohl sozial als auch öko vermisse. Für „öko“ seien die Maßnahmen zu wenig, um ein Umdenken zu erreichen und es treffe Menschen unverschuldet, ohne Rücksicht auf Struktur der Länder. Als Beispiel rechnete er vor: Er habe vor fünf Jahren ein Haus gebaut, mit Eigenversorgung bei der Energie. Er habe Dienstwagen – keine Selbstkosten, seine Frau arbeite im Ort. Er bekomme einen Öko-Bonus von 163 Euro – ohne selbst Ausgaben zu haben. Also eine starke Diskrepanz zu Pendler*innen, Mieter*innen, etc.
Zur Aussage der Arbeitgeber-Vertretungen, dass KV-Abschlüsse die Inflation in die Höhe treiben: die Preistreiber seien jene, die vom Bund überfördert wurden – ohne jegliche Kontrolle. Lohnsteuer und Konsumsteuern seien gestiegen, während die Unternehmenssteuern und Gewinnsteuern gesunken sind – wir zahlen die Krise.
In der darauffolgenden Diskussion gibt es zahlreiche Beiträge: Der Betriebsratsvorsitzende der Salzburger Landeskrankenanstalten (SALK) KR Markus Pitterka (ÖAAB-FCG) rief auf, sich an der „ARGE Gesundheit“ zu beteiligen und die Politik zum Handeln zu bewegen. Einzige Lösung sei Geld in die Hand zu nehmen. Krebsoperationen würden bereits abgesagt. 500 Euro Bonus sei eine politische Missgeburt wegen der Einschränkungen. Er bar die AK um ein starkes Wort, das müsse repariert werden.
ÖAAB-FCG Fraktionsvorsitzender Hans Grünwald warnte vor Emotionalität, für ihn sei in der Krisenpolitik auch vieles gut gelaufen. Er plädierte für aufklären statt spalten, zusammenstehen und gemeinsam meistern.
Sabine Gaberth (FSG), ebenfalls SALK-Betriebsrätin, entgegnete, in der Pflege müsse emotional gearbeitet und argumentiert werden und Abweisungen führten zu Emotionalität. Viele hätten zum Aufrechterhalten des Systems beigetragen – Therapeutinnen, Handwerker, IT-Techniker etc. – doch nur wenige erhielten den Bonus. Die Pflegebediensteten wollten keine Arbeitsgemeinschaften und Plattformen mehr, wie es die „Plattform Gesundheit“ eine ist, in denen keine Arbeitnehmer-Vertreter*innen vorkommen. Sie richtete einen Appell um die Unterstützung der Petition „Mehr wär fair“.
Klaus Brandhuber (AUGE/UG) sprach von bewegten Zeiten, die es zu meistern gelte. Viele Kolleginnen bekämen keine Tests oder Testauswertungen, um arbeiten zu können. Inflation und Preissteigerung im Energiesektor aufgrund von Spekulation brächten viele in Bedrängnis. Um der Krise in Pflege und Betreuung entgegenzuwirken, müssten Ausbildungswege deutlich durchlässiger werden.
Brigitte Promberger (GLB) konnte der Aussage, dass vieles gut gelaufen sei, nichts abgewinnen, wenn die Politik nicht im Stand sei, die Einhaltung vorgegebener Regeln zu ermöglichen. Neoliberale und rechtspopulistische Politik trügen nichts zu Lösungen bei, sie folgten ihren Interessen. Sie kritisierte die Vergabe der Testungen an Novogenia scharf. Nicht nur, dass die Firma den Auftrag nicht erfüllen könne, der Geschäftsführer bekämpfe massiv die Wahl eines Betriebsrates, die Arbeitsbedingungen widersprächen arbeitsrechtlichen Grundlagen. Die Einhaltung des Arbeitsrechts müsse Grundvoraussetzung für öffentliche Aufträge sein. Sie dankte den Kolleg*innen der SALK für die deutliche Darstellung der Situation.
FA-Kammerrat Frank Conrads beschäftigte in erster Linie Corona. Der Kanzlerwechsel sei für ihn ein Tausch Pest gegen Cholera. Auch er kritisierte das nicht-funktionieren der Testungen in Salzburg, das von oben angeschafft und unten abgeladen werde. Er stellte die Frage, wer denn eigentlich Mitarbeiterkontrollen durchführen dürfe und forderte einen Sternmarsch zur Salzburger Landesregierung, um den Unmut über die Covid-Maßnahmen zu zeigen.
Weitere Wortmeldungen von Kammerrät*innen aus dem Pflegebereich verwiesen auf die Petition „Mehr wär fair“ und baten um Unterstützung auch auf der Straße.
Nach einer Pause wurden 54 Anträge (23 FSG, 12 ÖAAB-FCG, 8 FA, 6 AUGE/UG, 4 GLB und ein dringlicher Antrag aller Fraktionen) behandelt.
Der Antrag 30 von ÖAAB-FCG „Degressives Arbeitslosengeld“ führte zu heftigen Diskussionen. Präsident Eder nannte den Hinweis auf Missbräuche im Antragstext „schäbig“. GLB-Kammerrätin Promberger sah in der Forderung die Aushebelung unseres erkämpften Sozialsystems, es mache sie wütend, dass der ÖAAB-FCG Solidarität fordere und neoliberale Politik vertrete. Für Othmar Danninger (FSG) führte diese Forderung zu Lohndumping, mehr Solidarität mit AN sei erwünscht. KR Grünwald (ÖAAB-FCG) wollte sich nicht unterstellen lassen, Lohndumping zu unterstützen. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Antragssteller abgelehnt.
Antrag 41 von FA „Kein 3G am Arbeitsplatz“ war zur Ausschuss-Zuweisung vorgesehen. KR Promberger sah es nicht als Aufgabe von Arbeitnehmer-Funktionär*innen noch mehr Unsicherheit zu verbreiten und lehnte Zuweisung und Antrag ab. Weitere Wortmeldung zur Ablehnung folgten, das Abstimmungsergebnis war die mehrheitliche Ablehnung gegen die Stimmen der Antragsteller.
Zu einem Eklat führt der FA Antrag 43 „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ in dem von Bundes- und Landesregierung gefordert wurde, eine Strategie gegen die Spaltung der Gesellschaft in böse Ungeimpfte und gute Geimpfte zu entwickeln. KR Julia Fellner (AUGE/UG) informierte über ein Hass-Posting einer FA-AK-Rätin gegen Minister Mückstein. Präsident Eder reagierte äußerst empört und forderte die sofortige Löschung des Postings. Die Vollversammlung werde dadurch in Misskredit gezogen. In mehreren Wortmeldungen war von Unvereinbarkeit der Funktion mit Hasspostings die Rede, eine Entschuldigung wurde verlangt.
FA-Fraktionsvorsitzendem Conrads war das Posting nicht bekannt, die Verfasserin Alexandra Schöppl meldete sich zu Wort. Sie musste sich wohl sehr geärgert haben, ihr lag das Herz auf der Zunge. Sie ist auch Verfasserin des Antrags und entschuldigte sich bei den „Kameraden“. Das Posting habe sie soeben gelöscht, sie werde das nächste Mal nachdenken, bevor sie was poste. Gabi Proschofski (FSG) klärte Schöppl auf, dass es sich in diesem Gremium um Kammerrätinnen und -räte handelt und nicht um Kameraden. Die FA zog den Antrag zurück.
Von den Anträgen des GLB wurde der Antrag „Niedrige Einkommen entlasten und Krankenversicherung absichern“ einstimmig angenommen, die Anträge „Arbeitslosengeld für alle Betroffenen“, „Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung – Finanzierung aufstocken“ und „Steuergerechtigkeit herstellen“ wurden mit Änderungen gegen die Stimmen des ÖAAB-FCG mehrheitlich angenommen.
Die Anträge des GLB im Wortlaut:
Antrag 1: Niedrige Einkommen entlasten und Krankenversicherung absichern!
Die Steuerreformpläne der Bundesregierung sehen vor, dass für Bruttoeinkommen bis 2.500 Euro/Monat ab dem 1.7.2022 die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt werden sollen. Beginnend mit 1,7 Prozent schleift sich die Senkung bis 0,2 Prozent bei Einkommen von 2.500 Euro ein. Diese Maßnahme wird mit einem Einnahmenentfall für die Krankenversicherungen von rund 800 Mio. Euro berechnet.
Auch wenn es Zusagen gibt, dass die Gegenfinanzierung aus dem Budget erfolgen soll, bedeutet dies doch eine weitere Schwächung des Prinzips der Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Schließlich geht es auch darum, dass diese ihre Verwaltungsaufgaben weisungsfrei durchführen kann – dass die Interessen der Versicherten, der BeitragszahlerInnen und der Leistungsempfänger*innen vertreten werden.
Unklar ist zudem, wie sich die Gegenfinanzierung zukünftig gestaltet und ob diese indexiert sein soll. Die Abhängigkeit vom Budget und damit von der jeweiligen Regierung kann nicht im Interesse der Versichertengemeinschaft sein – sie ist wohl eher im Interesse jener, die die Selbstverwaltung der Sozialversicherung auch im Bereich der Krankenversicherung schwächen wollen. Gerade die Pandemie hat uns jedoch vor Augen geführt, wie wichtig ein funktionierendes und ausreichend dotiertes Gesundheitssystem ist.
Zudem verkompliziert die Senkung der KV-Beiträge die Lohnverrechnung und verursacht damit zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass sich auch die Steuerbemessungsgrundlage der betroffenen Personen erhöht und somit teilweise eine höhere Einkommenssteuerbelastung droht.
Als Alternative dazu stehen bereits Instrumente einer Rückerstattung von Beiträgen über das Steuersystem zur Verfügung. Im Rahmen der ArbeitnehmerInnenveranlagung bekommen jene, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, eine Steuergutschrift in Form einer SV-Rückerstattung. Der Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag kommt ebenfalls niedrigen Einkommen zugute. Er wird in voller Höhe bis zu einem Jahreseinkommen von 15.500 Euro gewährt und verringert sich einschleifend bis 21.500 Euro auf null.
Die 6. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg bekennt sich zum Prinzip der Selbstverwaltung der Sozialversicherung und zur beitragsfinanzierten Krankenversicherung und fordert die Bundesregierung auf, anstelle der Senkung der Krankenversicherungs-beiträge andere Instrumente zur Entlastung niedriger Einkommen anzuwenden und daher die SV-Rückerstattung bzw. den Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag zu erhöhen.
Antrag 2: Arbeitslosengeld für alle Betroffenen erhöhen!
Die Covid-19-Krise führte seit Mitte März 2020 zu einer Rekordarbeitslosigkeit in Österreich. Die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen ging zwar wieder zurück, weiterhin stark erhöht ist jedoch die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen. Waren vor der Pandemie im September 2019 94.210 Menschen langzeitbeschäftigungslos (Geschäftsfall-Dauer > 365 Tagen), so stieg diese Zahl bis zum September 2021 um knapp 28 Prozent auf 120.449 Betroffene an.
Ebenso stark angestiegen ist die Verweildauer in Arbeitslosigkeit, also jene Zeitspanne, die zwischen dem Beginn und Ende einer Arbeitslosigkeit liegt. Betrug diese im September 2019 noch 123 Tage so lag sie zwei Jahre später bei 153 Tagen und damit ein Monat länger.
Im Durchschnitt benötigen erwerbsarbeitslose Menschen also mittlerweile volle fünf Monate, um einen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeiterkammer Salzburg hat die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie im Rahmen einer Befragung erhoben.
Wenig verwunderlich kommt diese zu dem Schluss, dass Menschen, die arbeitslos wurden mit den größten finanziellen Auswirkungen zu kämpfen haben. 31,7 Prozent der arbeitslos gewordenen Befragten kamen nicht mehr mit ihren Einkommen aus, weitere 41 Prozent eher schlecht. Bei 12,5 Prozent kam es zu Problemen mit der Kreditrückzahlung, bei 37,1 Prozent zu Mietrückständen. 25,8 Prozent mussten das Konto überziehen.
Dabei steigt die Armutsgefährdung mit der Dauer der Arbeitslosigkeit. Die AK-Salzburg weist zu Recht darauf hin, dass Arbeitslosigkeit eine Armutsfalle ist. Laut EU-SILC seien 2020 14 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet gewesen: „Bei Menschen, die zwischen sechs und elf Monaten arbeitslos waren, steigt die Armutsgefährdung auf 32 Prozent, bei ganzjährig Arbeitslosen auf 52 Prozent.“
Daraus geht die steigende Armutsgefährdung mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit klar hervor. Eine der zentralen Schlussfolgerungen der Befragung „Soziale und finanzielle Folgen der COVID-19-Pandemie lautet daher: „Die Ergebnisse bekräftigen unsere Forderung nach einer Anhebung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, um zumindest die finanziellen Sorgen und das Auskommen in der Arbeitslosigkeit besser abzufedern.“
Die 6. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg fordert daher die österreichische Bundesregierung auf, eine Gesetzesänderung dahingehend zu initiieren, wonach die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von derzeit 55 auf zumindest 70 Prozent erhöht wird. Diese Erhöhung soll unabhängig von der Bezugsdauer dauerhaft für alle Bezugsberechtigten des Arbeitslosengeldes gelten.
Antrag 3: Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung – Finanzierung aufstocken!
In Österreich kommen weniger als 50 Prozent der Kinder ganztägig in Betreuungseinrichtungen unter. Das bedeutet für Eltern, vorwiegend Mütter, dass das Ausmaß der Lohnarbeit stark reduziert werden muss, bzw. viel Stress, wenn dies aus existentiellen Gründen nicht möglich ist. Das führt zu niedrigen Einkommen mit langfristigen Folgen, u.a. prekären Lebens-, Gesundheits- und Wohnverhältnissen und Altersarmut. Das Fehlen von Betreuungseinrichtungen wirkt sich weiters auf die Bildungs- und Entwicklungschancen von Kindern aus, Förderung und soziales Lernen bilden den Grundstein für den späteren Berufsweg.
Laut EU-SILC 2020 sind in Österreich 350.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie 642.000 Frauen und 537.000 Männer von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen. Diese Zahlen können auch in direktem Zusammenhang mit fehlender Kinderbetreuung und erzwungener Teilzeitbeschäftigung gebracht werden – schlechte Betreuung, schlechte Bildung, schlechte Arbeitsplätze, bzw. Arbeitslosigkeit.
2017 wurden von SPÖ und ÖVP (Kanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner) 750 Millionen Euro für schulische Nachmittagsbetreuung für den Zeitraum von 2018–2025 bereitgestellt, bereits 2018 wurde dieser Zeitraum von der ÖVP-FPÖ-Regierung auf von 2018–2032 ausgedehnt, was einer massiven Kürzung gleichkommt.
Kinder- und Frauenorganisationen und „SozialpartnerInnen“ fordern zu Recht die Aufstockung dieser Mittel und den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplätze, um die Bildungschancen deutlich zu verbessern und der zunehmenden Armutsgefährdung entgegenzuwirken und der Gleichberechtigung einen kleinen Schritt näher zu kommen.
Die 6. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg fordert die Bundesministerin für Frauen- und Familie, Jugend und Integration, den Bundesminister für Finanzen und die österreichische Bundesregierung auf, folgende Maßnahmen zu treffen:
– Rechtsanspruch auf flächendeckende und kostenlose Kinderbetreuung.
– Aufstockung des Budgets für Kinderbetreuung für den Zeitraum bis 2025 um 1,2 Milliarden Euro.
– Ausbau der Ganztagesbetreuung für Kinder ab dem 1. Lebensjahr mit ausreichend und gut qualifiziertem und bezahltem Personal.
– Förderung von Betriebs- und Standortkindergärten.
Antrag 4: Steuergerechtigkeit herstellen!
Mit Stand September wurden 9 Milliarden Euro an Kurzarbeitsbeihilfen, 1,87 Milliarden an Fixkostenzuschüssen, 3,9 Milliarden an Umsatz- und Verlustersatz sowie 3,1 Milliarden an Ausfallbonus ausbezahlt. Den Hilfen für Unternehmen gegenüber stehen deutlich geringere Unterstützungsleistungen für Familien, Arbeitslose und Härtefalle, wie die Zahlen des Momentum Instituts belegen. So betrugen die Aufwendungen für den Kinderbonus lediglich 0,66 Milliarden Euro, jene für die Arbeitsloseneinmalzahlungen nur 0,34 und die für den Familienhärteausgleich gar nur 0,1 Milliarden Euro.
Österreich war somit extrem großzügig was Subventionen in der Pandemie betraf und ein Großteil der Auszahlungen ging an Unternehmen. Insgesamt profitierten diese von Leistungen in der Höhe von knapp 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
ArbeitnehmerInnen, die gemeinsam mit den PensionistInnen und als KonsumentInnen 80 Prozent der Steuerlast tragen, haben die Unternehmen somit in der Krise großzügig unterstützt, wie die Analyse des Volkswirtschaftlichen Referats des ÖGB darstellt. Schon jetzt tragen Unternehmen mit der Körperschaftssteuer lediglich rund sieben Prozent des Steueraufkommens bei.
Vor diesem Hintergrund und der im Laufe der Pandemie stark angestiegenen Staatsschuldenquote wurde von der österreichischen Bundesregierung eine sogenannte ökosoziale Steuerreform verkündet.
Diese beseitigt die Ungerechtigkeiten im Steuersystem nicht, nein im Gegenteil sie soll sie verschärfen. So soll die Körperschaftssteuer weiter auf letztlich 23 Prozent gesenkt werden. Dabei liegt die Steuerleistung der österreichischen Unternehmen schon jetzt unter OECD-Schnitt. Eine wesentliche Rolle dabei spielt die schmale Steuerbemessungsgrundlage. Hinzu kommt die geplante Erhöhung des Gewinnfreibetrages, die Erhöhung bei der Abschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter und die Einführung eines Investitionsfreibetrages. In Summe beträgt die Entlastung daher für Unternehmen jährlich 1,55 Milliarden Euro.
Für ArbeitnehmerInnen sind jedoch kaum Entlastungschritte vorgesehen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, fällt die Steuerreform hier geringer als 2016 aus. Sie gleicht gerade einmal die kalte Progression aus und tut auch das nicht für alle Betroffenen. Von der Senkung der Steuertarifstufen profitieren vor allem die obere Mittelschicht und jene mit hohen Einkommen, jene unter 1800 Euro Monatseinkommen werden gar nicht umfasst. Die geplante Erhöhung des Familienbonus geht aufgrund der Einkommensdifferenz überwiegend an Männer, während Frauen den Großteil der Betreuungsarbeit übernehmen.
Hinzu kommt die ungleiche Verteilung der Mehrbelastung durch die CO² Bepreisung und die lediglich regionale Differenzierung der Ausgleichszahlungen. Insbesonders MieterInnen haben keine Möglichkeit sich die Art der Beheizung ihrer Wohnungen selbst auszusuchen.
Vollkommen unangetastet bleibt die Besteuerung der Vermögen und Erbschaften. Dabei wäre gerade hier großes Potenzial gegeben. Die Vermögensteuer wurde 1993 abgeschafft, die Erbschaftssteuer ist 2008 ausgelaufen.
Die 6. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg fordert daher die österreichische Bundesregierung auf, die Steuerreform dahingehend zu adaptieren, dass
– mehr Steuergerechtigkeit hergestellt wird
– die großen Vermögen durch eine Vermögensbesteuerung an den Kosten der Pandemie beteiligt werden.
– sich die großen Konzerne, welche im Rahmen der staatlichen Unterstützungen während der Pandemie überproportional profitiert haben, über eine Erhöhung der Körperschaftsteuer statt einer Senkung, an den Kosten dieser Unterstützungsleistungen beteiligen.
– insbesondere niedrige und mittlere Einkommen tatsächlich entlastet und nicht nur bzw. nicht einmal die kalte Progression ausgeglichen wird.
– die Selbstverwaltung und Beitragsfinanzierung der Sozialversicherung nicht ausgehöhlt wird.
– sich Kosten für CO²-Emissionen gleichmäßig verteilen, unabhängig ob diese von der Industrie, der Landwirtschaft oder von ArbeitnehmerInnen stammen und die tatsächlichen Verantwortlichen – im Falle von Mietwohnungen also die VermieterInnen – in die Pflicht genommen werden.
– Kinder unabhängig vom Einkommen der Eltern gleich stark unterstützt werden und finanzielle Leistungen vorrangig an das überwiegend die Betreuung übernehmende Elternteil ausbezahlt werden.
– sich auch ausreichend budgetäre Spielräume ergeben, damit wichtige Zukunftsinvestitionen wie etwa der Ausbau des öffentlichen Verkehrs möglich bleiben und keine Ausgabenkürzungen zur Budgetkonsolidierung drohen.